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Platz 13

Stray Toasters
von Bill Sienkiewicz

 
Autor: Bill Sienkiewicz
Zeichner: Bill Sienkiewicz
Land: USA


Bevor man "Stray Toasters" aufschlägt, sollte man erst noch ein paar mal tief Luft holen, denn weiteres Atmen wird man für die Dauer der Lektüre vergessen. Selbst heute noch, 12 Jahre nach seinem Erscheinen, fühlt man sich beim Betrachten dieses ausschweifenden Stilgebräus, als hätte jemand einem zwanzig Eimer Farbe ins Gesicht geklatscht. Mit dieser Serie erstrahlte Bill Sienkiewicz Ende der achtziger für einen kurzen Augenblick zu einem Jimi Hendrix der Comics – hier war einer, der von A bis Z sein Handwerk beherrschte, kalkuliert explodiert, hatte sich in orgiastischer Schaffenswut den Weg freigezeichnet und dabei so ziemlich jede Regel gebrochen, die dem Begriff „Comiczeichnung“ bis dahin innewohnte.

Als der frisch von der Designschule entlassene Sienkiwicz Ende der siebziger feststellen mußte, daß die New Yorker Kunstszene Neulinge nicht eben mit offenen Armen zu empfangen pflegt, stieg er zunächst in die Niederungen der Werbeillustration und der Comics hinab. Mit einem durchtrainierten Stil, der dem Strich vom Marvel-Ikone Neil Adams erstaunlich ähnlich sah, erwarb er sich Respekt als Penciller für Serien wie „Moonknight“ und die „Fantastic Four“.
1985 legte er mit Frank Miller als Szenarist bereits das erste Erdbeben hin: „Elektra Assassin“ war einer der ersten großen Vertreter des neuen Kreativ-Rausch am Comicmarkt, ein smart abgefaßter und farbenschreiender Herold einer neuen Welle von Autoren und Zeichnern, die zu jener Zeit aufbrachen, die dröge gewordene US-Comic-Landschaft mit einer grundlegenden Frischzellenkur zu versorgen. In einigen Ausgaben „The Shadow“ konnte Sienkiewicz seiner Experimentierfreude noch ein wenig schwelen lassen, bis sie in seinem selbstverfaßten, kruden SciFi-Krimi „Stray Toasters“ zur endgültigen Explosion kam.

Worum es geht? Der Teufel macht Urlaub in New York, während der alkoholkranke Inspektor Egon Rustemagick einen Frauenmord aufklären muß, der durch einen zum Roboter umfunktionierten Toaster begangen wurde, bei dem ein Kind anwesend war, daß von Rustemagicks Ex-Freundin aufgenommen wird, während ein degenerierter Doktor elektrische Krähen nach ihm ausschickt, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen, bevor...
Wer glaubt, daß das alles allein schon reichlich wirr wäre, der wird erst recht durch die kreischende Inszenierung gekillt: eingebettet in mehrere Erzählperspektiven pfeift einem ein wüster Mix aus Feder, Pinsel, Airbrush, Kopiergerät, Materialcollage und was noch alles um die Ohren – ein designerisches Stahlbad, daß bis heute seinesgleichen sucht. Viele haben sich später in so etwas versucht, aber kaum jemand hat dieses Konzept zu so einer Meisterschaft gebracht.
„Stray Toasters“ markierte den Höhepunkt einer kurzen, glanzvollen Epoche der fieberhaften Innovation, die damals die US-Szene überkam und Versprechungen auf eine Zukunft machte, die leider nie wirklich eingelöst wurden. Die Karrieren der damaligen Sturm- und Drangkünstler wurden später größtenteils in den mauen Superhelden-Mainstream zurückgesogen, so auch die von Sienkiewicz. Er und seine Mitstreiter waren so weit gegangen, daß sich am Ende kaum noch einer traute, ihnen zu folgen, erst recht die Leser nicht. Jammerschade eigentlich. (Thomas Strauß)

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